Magic | Reisekunde

„Vergiss all deine Winter. Jetzt ist Sommer, meine Schwester.“

23. August 2021

route bretagne

Noch, Cheri, ist der Sommer nicht vorbei, sind die Mückenstiche nicht verheilt für ein letztes, zufriedenes Kratzen. Noch sind die Abende hell und golden, noch! ist August, röten sich die Tomaten ohne unser Zutun, kleckern die Linden. Noch kann ich alles heraufbeschwören.
Die langen Tage en route, das Meer, den Regen, die schweren Himmel, und mon dieu! die Törtchen, Baguettes, Galettes complètes! Die immerklammen Nächte, Sand wie hellbrauner Samt, wenn Ebbe war. Und Muscheln, Cidre und die Sonne, die sich für keine Nacht trennen wollte vom Schönsten aller Schönen, vom Atlantik.

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Es war so: Ich hatte meinen Kopf verloren. Wann und wo, das wusste ich nicht mehr. Zwischen tausend Zetteln und Schulkram und Töpfen und Wäsche und Abschied war es um ihn geschehen.
Nicht so schlimm, dachte ich, ohne Kopf im Sommer, steigt die Hitze nicht hoch. Muss ich nicht grübeln, nicht sagen, was sie erwarten, können die Tränen nicht laufen, wie sie wollen. Ich werde ihn schon finden, in der Ferne, in den fremden Landen, da war ich mir sicher.
Allez hopp, waren die großen Ferien da, die Zeugnissschwärze gerade getrocknet, die Schränkchen und Fächer im Schneckenhaus gefüllt, zu viele Bücher eingepackt und Wolle, natürlich, viel zu viel.
Sonntag früh, bevor die Welt erwacht war, zogen wir die warmen Kinder aus den Betten, gaben das Haus in begnadete Hände und fuhren in unser Weitweitweg, unser Sommerabenteuer am Ende der Welt. Allen Zweifeln zum Trotz, eintausend, nein zweitausend Kilometer und fast bis zum Mond und wieder zurück. Unverschämte vier lange Wochen Urlaub.
Der erste Platz sollte pas du tout mehr in Deutschland sein, so kamen wir zum Camping Wesertal in Belgien. Dieser Platz war ein filigraner Zaubergarten unterm Regenbogen, klein, fein, am Rand ein Wäldchen mit Hasen und Räuberfluss. (Hier hätte ich es schon wissen können.)

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// Wenige Tage später würde diese Idylle unter Schlamm und Wassermassen begraben werden. Das kleine, verspielte Flüsschen, das die Bierflaschen der Camper kühlte, brachte unvorstellbare Gewalten hervor. Ich hoffe, Birgitt und Claudia bekommen die Kraft, ihr Paradies noch einmal zum Blühen anzufeuern. //

Kilometergierig stürzten wir uns auf den Asphalt, froh über den leichten Regen, bestes Reisewetter. Lunch gabs im Wohnwagen, Starbucks Kaffeeautomaten auf den Raststätten. Hell, yes. Die Zeit verging langsamer als die Uhr sagte, typisch erste Woche. Wie sehr hatte ich das vermisst. Auch das kleine Bibbern: Wird der nächste Platz genauso schön?
Erstes Ziel: In der Nähe von Veules les Roses. Im Regen fanden wir nach Sotteville sur Mer, einem verschlafenen Örtchen: Kleiner Marktplatz, Boulangerie, Bürgermeister und Kleckersteinkirche. Und eben das Meer. Alles da.
Ich hatte zwei Nächte bei Les Pommiers reserviert. Wir kamen kaum um die Kurve mit unserem langen Schneckenhaus, der Platz war fast leer. Umso freundlicher der Empfang, nach dem Abendbrot ließ der Regen nach und wir spazierten ans Meer. 21 Uhr und hell. Zuerst kamen Kühe, dann der Parkplatz mit den obligatorischen ein, zwei Wohnmobilen, ich kann sie verstehen, eine steile Treppe hinunter – da lag es, türkis, blass vom Regen, es war noch Flut. L’atlantique.
Die Kinder waren bezirzt, wir gebannt vom endlosen Blick, der Weite dieser Steilküsten. Rügen war das nicht.

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Die nächsten Wochen würde ich mich danach sehen, sobald das Meer nicht mehr in Sichtweite war. Außer, es gab keine Wolken, dann war es am schönsten, im Wohnwagen auf dem Bett zu liegen, den Wind durchziehen zu lassen, etwas zu lesen, die Kinder mit Playmo oder Muscheln klackern zu hören, Baguette und Käse nachzuschneiden und spät, sehr spät der Sonne beim Fortgehen zuzusehen. Um mitten in der Nacht aus der Tür zu steigen und es nicht fassen können, solche Wahnsinnsmengen Sterne.

Die Leinenfelder haben mich erwischt, überall in der Normandie. Knapp vorm Aufblühen, ich hätte sie gerne in ihrer zarten, blauen Pracht gesehen. Aber wir hatten uns die Bretagne auf die Fahne geschrieben – eine sehr schöne Fahne. Breizh. La Finistère.
Vorher standen ein paar kleinere Ziele. Erste „echte“ Crêpes gab es in Veules les Roses. Das Dorf, in dem die Veules gemütlich ins Meer fließt, hätten Batti und ich gern bis in den letzten blühenden Winkel entdeckt. Die Kinder waren weniger vom Erkundungsfieber gepackt. Reisen zu Fünft ist herrlich und immer ein Paket an Kompromissen. Es bleibt die Sehnsucht übrig, dahin und dorthin nochmal wiederzukommen, irgendwann.
Platz 3 war eine Minietappe, wir wollten nicht weit fahren, die Kinder hatten Lust auf einen Pool und wir auf Abendsonne über dem Meer. Les Falaises hatte beides. Hier waren wir nur eine Nacht eingebucht, dabei hätte der Platz die meisten Pluspunkte von uns allen abgesahnt. Neue, holzhübsche Gebäude, ein schönes Schwimmbecken, Restaurant, oben von der Steilküste aus der Blick aufs Meer und dieses gewisse Sommerflair, das ein Platz eben hat oder nicht hat. Hier war es da. Eine Mischung aus Bäumen und Wiesen, Campingfahrzeugen in den verschiedensten Ausführungen, Lichterketten und Rosé, Großeltern und Kindern, jungen Paaren, schönen Hunden. Einzig bitter war, an diesem Abend kickte England meine geliebten Red! White! Danish Dynamite! aus der Europameisterschaft. Alors.
Einen letzten Platz wollten wir in der Normandie ansteuern: Omaha Beach.
Die weiten Strände der Landungsbrücken, Panzer und Museen, auf dem Amerikanischen Friedhof zehntausend weiße Kreuze – die Vergangenheit lag ohne Zweifel dauerhaft in der Luft. Was für ein Ausmaß D-Day damals bedeutete, war mir nicht bewusst. Wer waren diese 500.000 jungen Männer, die sich vom anderen Ende der Welt auf den Weg gemacht haben, was hat sie bewegt. Hätten sie gedacht, dass ein Menschenleben später Leute wie wir hier sitzen, Frites essen und dasselbe Meer liegt romantisch im Frieden da?

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Ich habe die Namen auf den Kreuzen gelesen. So viele Namen. Bei manchen lagen Blumen. Niemand wird vergessen.
Drei Tage waren wir auf diesem Platz. Er ist schon in die Jahre gekommen, wird gern von Wohnmobildurchreisenden genutzt. Die Kinder wollten, na klar, dauernd in den Pool. Wir kamen mal wieder zu spät auf den Wochenmarkt in Bayeux, Käse und Fleisch haben wir aber noch bekommen. Und in den alten Gassen und kleinen Geschäften konnte das Taschengeld formidable umgesetzt werden.

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Jetzt aber: Bretagne. Wir können nicht länger warten. Unterwegs wagen wir einen Abstecher zum Klosterberg Mont Saint Michel. Hier ist es alles andere als ruhig, obwohl nur 30 Menschen in dem Ort leben. Nachts, oder früh am Morgen muss es magisch sein. Vor der Abtei war uns die Schlange viel zu lang – noch so ein Ort zum Wiederkommen – in der Nebensaison. Schmale Treppen und Windungen, das ist Gondor, denke ich. Ein Junge versucht, seinen Kumpel im Rollstuhl soweit es geht hochzuschleppen, treibt mir Tränen in die Augen. Hunger hatten wir auch und die Kinder keine Lust mehr. Mitten im Getümmel probieren wir die gepriesene Galette complète und sind fortan auf der Suche nach der Nächsten.
Zurück zum riesigen Parkplatz wollen wir unbedingt mit einer der Pferdekutschen fahren. Das kostet zwar extra, ist aber ein Traum. Eine Reisegeschwindigkeit, die maßgeschneidert für die Gegend ist. Batti schläft ein, so langsam sind wir. Gut, dass er nicht zur Zeit der Kutscher gelebt hat.

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Ich habe auch den nächsten Platz gebucht und Batti hat mich gelassen. War inzwischen verrückt danach, die perfekte nächste Bleibe zu finden. Der Wohnmobil Tourguide von Rainer Höh hat uns sehr geholfen und auch hier ging es gut, über die Landkarte online nach campings zu suchen. Plätze, auf die wir unbedingt wollten, habe ich ein, zwei Tage vorher online reserviert. Kleinere Plätze haben wir mittags herum, en route, angerufen. Bis auf einmal gab es immer einen Platz – auf allen campings war es luftig und angenehm belegt, genau wie ich es mag. Anders die Sehenswürdigkeiten – wo es in Frankreich besonders schön ist, wars voll. Schnell weg!
La Côte de Granit Rose ging als Traumziel nicht aus dem Kopf, wir haben die Kinder in Entdeckerlaune gequasselt und uns wilde, urgewaltige Einöde ausgemalt. Pah! In Ploumanac’h war es schwer, einen Parkplatz zu finden. Wir sind gelaufen und gelaufen auf dem alten Zöllnerpfad, die rosa Granitfelsen waren unglaublich schön, aber auch weit hinter dem Leuchtturm wurden es nicht weniger Touristen. Ich mag ja Menschen – aber am liebsten woanders. Wir haben uns mit Kouign-Amman, DEM bretonischen Kuchen, eingedeckt und sind im Abendlicht herumgefahren, wo es ruhiger war. Immer wieder in Stichstraßen, die am Meer enden und einen herrlichen Blick freigeben. Auf der kleinen Île Grande haben wir unseren Galettehunger gestillt, den Franzosen den Sommer abgeschaut und das Leben genossen. Unsere Bleibe, Camping de L’Espérance war klein und fein, hier gab es handgeschriebene Quittungen, super freundliche Platzbetreiber und das legendäre EM-Finale England:Italien. Niemand außer uns hat es geschaut, Frankreich war längst ausgeschieden.
Das Meer hat ohne Pause für uns gezaubert … eben noch war es da, kurze Zeit später hatte es sich weit zurückgezogen und neue Wege freigelegt. Batti und Gelbe Wolke sind beim Muscheln sammeln in der Vormittagsebbe beinahe auf eine private Pirateninsel geraten – das Missverständnis wurde beim Wäschewaschen leider aufgeklärt. Die Insel gehört jemandem aus Korsika. (Doch keinem Korsaren.) Schade.

Eine Insel muss ich nicht haben. Aber es gab ihn, den einen Flecken dramatische Erde, wo ich es schwer hatte, meine Seele wieder einzufangen. Der Ort ist noch in meiner Wetterberichtsliste gespeichert: Plogoff. Da, am Tisch, vorm 21 Uhr Meer, könnt ihr mich sitzen sehen? Im Café Monsieur Papier, in den 50ern einst Restaurant, hat das Haus bis heute unzählige Gesichter gesehen, und doch war es nicht überlaufen, dafür bestückt mit Papeterieschätzen, Büchern, Karten, Emaillegut en masse – Halleluja! Die Madame, die uns späten Kaffee und Tarte sablée bretonne aux pêches servierte, hatte Augen mit exakt der Farbe des Meeres – wollen wir Plätze tauschen, ein, zwei Jahre lang? Non?

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Hier waren wir am Ziel, und in der Mitte unserer Reise. Am Ende der Welt. La Finistère. Oh lala. Zutiefst im Westen. Danach kommt nichts als Meer. Die Île-de-Seins. Und irgendwann Neufundland.
Die Sonne stand noch hoch und wir hatten ein gutes Stück zu fahren, zurück zu unserem Waldflussplätzchen am Rivere D’argent, auf dem wir sechs Nächte blieben. Neues Vorzelt und Wimpel, das ganze Programm.
Irgendwann hier merkten wir, wie sich die Zeit davongemacht hatte. Lundi, mardi, mercredi – welcher Tag war heute, egal. Die Hitze kam in den Wald, ein kleiner Wochenmarkt auch. Zum Nationalfeiertag gab es Feuerwerksspektakel am See und auch jeden anderen Abend lange, bunte Sonnenuntergänge. Von hier aus hätten wir viel besichtigen und unternehmen können. Aber zur Ruhe kommen ging am besten an unserem Schneckenhaus. Oder in der kleinen Mercerie in Huelgoat. 18 Meter bretonischer Blumensommer. Wir haben uns nach Concarneau gewagt (zauberhaft, also auch sehr voll) und eine Stipvisite nach Crozon. Haben köstlichen Schellfisch serviert bekommen und mehr Kouign-Amman gegessen, große Salatschüsseln geschnipselt und Chablis prickeln lassen. Wir haben die Baguettes, die es jeden Morgen frisch an den Rezeptionen gab, nicht über bekommen und auch nicht uns Fünf. Lag das am Abwaschdienst, der beim Campen für alle nicht ausbleibt und auf seine Weise erdet? Vielleicht. Frankreich und wir, das hat einfach gepasst. Außer, wenn unsere Wanderlust gestillt werden wollte. Selbst, wenn oft das Meer die Belohnung aller Schritte war – unsere Kinder sind keine Wanderhasen. Manchmal half dann nur „Ein Hut, ein Stock, ein alter Mann.“ Hatten wir fast alles dabei.
Êtretat lag auf dem Weg. Den Elefantenfelsen, der angeblich schon Monet fasziniert hat, wollte ich gerne sehen. Die Gummibärin hatte nichts dagegen, wenn nur der Geruch nicht wäre! Egal welcher Strand es war, sie hat über den Gestank (leichter Salz- und Algenduft) gezetert und das Atmen durch die Nase komplett vermieden. Das klang sehr lustig und irgendwann, am letzten Strand, hat sie es dann aufgegeben oder vergessen.
Die Sonne stach, aber die Nächte im Wald waren klamm und pitschenass. Wäsche in der Bretagne trocknet nie komplett.

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Ohne Titel

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Das Meer rief wieder, zog mir an den Haaren. Wir hatten noch eine Woche übrig. Vorbei an Roscoff, Zwiebelverkäufern (heute fahren sie wohl nicht mehr mit Fahrrädern nach England) und Artischockenfeldern haben wir auf dem kleinen, aber hochgelobten Camping Poulfoen mit englisch/französische Überredungskunst einen Stellplatz direkt am Meer ergattert. Drei Nächte, ein Sonnenuntergang schöner als der andere. Bei Ebbe konnten wir zu Fuß auf die Felseninsel, da war nichts außer großen Steinen, hohen Wogen von blühender Schafgarbe und Muscheln, randvoll in den Hosentaschen, weil wir an diesen lustigen Hütchen (eigentlich sind es Napfschnecken, tja) nicht vorbei kamen.
Dieser Platz hat alles für uns im Ärmel: Ruhe, ein Solo-Date in Morlaix mit Mini Blondie, frische Wäsche, Sonnenbrand, neue Freunde, Sterne, Sterne! Leider auch einen Tag im Krankenhaus, aber zum Glück war alles gut, Gelbe Wolke ist auf den Geschmack von Lachgas gekommen. Ich wäre gern noch einmal hier oben bis Pospoder gefahren, an den anderen westlichsten Zipfel … nächstes Mal.

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Im Rückblick verlief unsere Route ziemlich hüh und hott – wie im wahren Leben. Auch die Bretagne lässt sich nicht mit einer einzigen Reise erkennen. Je sais, que je ne sais rien. (Außer, dass ich wieder verliebt bin in diese üppige, verschwenderische Sprache. Ich dachte, ich kann nur noch zackiges Skandinavisch ab. Non! Und, das mag etwas albern sein, ich war beglückt, wieviel Batti und ich noch verstanden haben. Les lauriers sont à eux, Madame Schmidt!)
Jeder Hinkelstein erzählt eine Geschichte. Nur einem Bruchteil konnten wir zuhören. Die Kinder haben Asterix kennengelernt.
Brest haben wir ausgelassen, auch den südlichen Teil, Vannes, all die Inseln.
La Vallée de Saints, die Heiligen in ihrem Tal musste ich sehen. Auch wenn es über 30 Grad waren, der Rest der Familie sich lieber im Schatten mit Eis runterkühlte und ich danach einen roten Brummschädel hatte. Sie sind so schön. Zeitlos, zum Überdauern für manches, und doch geht die Natur auch über sie irgendwann nicht hinweg. Ich möchte ihre Namen wissen und die Geschichten dahinter. Irgendwann, an einem milden Abend im Herbst.

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Der wehmütige Tag der Rückreise kam, nein, ein Tag reichte nicht, wir brauchten wenigstens drei. Über Rennes, wo wir auf eine Fahrradstraße gerieten, dann ein letzter französischer Platz. Baguettes für den Morgen bestellen, im Pool abkühlen, die Freunde vom Meerplatz wiedertreffen, die Kinder mit Taschenlampen und Wolfsgeheul über den Platz rennen lassen, viel länger als sonst. Es war die letzte Nacht. Kalter Rosé, zwei Töpfe Nudeln, kein Regen. Wir kamen aus dem Westen, schneller als das Wetter, dem Gewitter voraus.

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Normandie: frisch und regnerisch, ruhig und bewegend. Die Bretagne war alles und magisch und mehr.
Nur meinen Kopf hatte ich nirgends gefunden. Auch nicht am Ende der Welt. Wir nahmen die Grenze zur Schweiz, den schönen Platz der Anreise in Belgien gab es nicht mehr, wir hatten Lust, unsere Freunde in Z Aschiried zu sehen, der Umweg sollte nur ein paar Stunden sein.
Das Wetter hatte eigene Pläne. Wir gerieten in heftigen Hagel, auf schmale Passstraßen, (Maps weiß halt nicht, dass wir mit dem langen Schneckenhaus reisen), Sackgassen – es hätte weniger dramatisch sein können. Die dunkelgrummelnden Berge waren so sehr n i c h t das Meer; ich drohte ihnen mit der Faust. Sie zogen sich Etwas über.
Wir fuhren ewig. Mein Buch hatte ich ausgelesen, zum Stricken keine Muße mehr. Wir hörten Ronja Räubertochter, von der ersten bis zur letzten Zeile, schaurig schön vorgelesen von Ulrich Noethen. Wir lauschten alle Fünf, jeder versunken auf seine Weise. Durchgeschüttelt, im Ankerpunkt, ich.
„Vergiss all deine Winter. Jetzt ist Sommer, meine Schwester.“

Und da – fand ich meinen Kopf wieder. Zwischen den Worten, die ich vor dreißig Jahren zum ersten Mal gelesen hatte. Bei Astrid, natürlich! (Wie gern, oh! wäre ich ihr um den Hals gefallen, wärs nur denkbar gewesen. Ich sags ihr später mal.)
Im letzten Licht kamen wir an. Unten im Tal flackerten hundert und aberhundert Lichter rund um den See, wie Seelen, wie Kerzen auf einem Fest.
In dieser Nacht, im Haus bei den Freunden, die auf uns gewartet hatten, schlief ich, meinen Kopf schön mit Augen zu, wie ein schwedischer Waldstein.
Am Morgen konnte ich sie aushalten, die Berge aus Felsen und ihre Gipfel. Gernhaben, sogar. Ronja hätte ihr Tun gehabt. Klarer Himmel löste die Wolken aus. Es ging weiter.

Und dann tat ich meinen Sommerschrei. Über alle Berge.

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Mais oui, das ist ein bisschen dramatique. Schließlich waren wir in Frankreich.

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  1. Ist das schöööön! Ich hab morgen meinen vorerst letzten Tag am Atlantik… und der Kopf ist auch noch irgendwo…. jetzt hab ich neue Hoffnung ;-) Tausend Dank für diese schönen geteilten Erinnerungen in Wort und Bild und liebe Grüsse

  2. Danke für diesen wundervoll poetischen Reisebericht! <3 Den Baguette-Duft, der in kleinen, feinen Wölkchen daraus aufsteigt, werde ich wohl noch für einige Stunden in der Nase haben … :) Sei vielmals lieb gegrüßt!

  3. Danke für deinen wunderbaren Reisebericht. Du verstehst es wirklich mit Worten zu (ver)zaubern. Beim Lesen entstehen so viele innere Bilder, dass es fast wie ein kleiner Urlaub ist. Schade, dass du deinen Blog scheinbar aufgegeben hast. Ein Verlust.
    Lieben Gruß aus dem kleinen Dorf zwischen den Meeren
    Lydia

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