Gestorben wird immer
Auf den ersten Seiten trifft Agnes Gehstock auf die Treppe und ich erstarre kurz.
Seiten später muss sie raus aus Königsberg und mein Herz fiebert für sie mit. Kurz darauf sieht sie Ostpreußens Elche. Viele Seiten liebe ich sie innig für ihr Löwenmutterherz. Auf Seite … weine ich, als sie sagt „…sonst zieh ich euch die Hammelbeine lang“. Das hat einer meiner Großeltern auch immer gesagt. Ich weiß nicht mehr genau, wer. Zückeroma? Pfülleropa?
Ich bin zurückgeworfen in der Zeit.
Meine Oma Emmi war auch auf der Flucht, von Danzig in die Freiheit. Die Älteste von acht Kindern, war sie schon in Stellung. Sie bekam eine kleine Tochter. Der Vater dazu war los, seine Papiere holen für die Vermählung, und ward nie wieder gesehen. Möglich dass da zum ersten Mal ihr Herz zersprungen ist, das Erste von unzähligen Malen. Sie kam eines Tages von der Arbeit und ihre Eltern samt Omas kleiner Tochter waren weg, geflohen.
Oma ist mit der Familie für die sie arbeitete mit, als die auch weg mussten. Beinah wäre Oma auf der Wilhelm Gustloff gelandet. Dann hätte es mich nicht gegeben …
Omas Weg führte nach Mecklenburg.
Der Rest ihrer Familie, die Eltern, die vielen Schwestern verschlug es über Dänemark in den Schwarzwald. Ihre Tochter hat bei Omas Eltern gelebt, bis sie sich gefunden haben hat es gedauert, mit zehn Jahren ist sie zu Oma zurück gekommen. Da war auch noch die Mauer und Oma war von ihren Lieben getrennt. Für mich hat das in den Ferien kleine Haribotütchen bedeutet, die sie aus Westpaketen bekam. Wenn wir nicht einschlafen konnten, durften wir uns ein Tütchen auf den Nachttisch legen und am Morgen dann auffuttern. Nichts von dem Weh das ihr Herz rumgetragen hat, hab ich auch nur geahnt. Ich habe Oma viel zu wenig danach gefragt, später. Ich hatte zu viel Angst, dass es wehtut, vielleicht.
Oma und Agnes haben noch mehr gemeinsam. Die herbe Schale, das große Herz. Das Vermögen, die ganze spätere Familie zusammenzuhalten.
So war es bei Oma. Und auch bei Agnes. Die Wege der Kinder und Enkel verlaufen sich in einige Himmelsrichtungen. Aber Agnes hat ein Ziel. Und da kommen sie zusammen an.
Mehr verrate ich gar nicht. Das Buch habe ich an einem Tag durchgelesen. Ich weiß gar nicht wie ich das geschafft habe, die Kinder waren zu Hause und so weiter. Es wurde wohl spät. Batti hat es danach auch verschlungen. Alexandra Fröhlich schreibt kein Wort zuviel. Die Seiten lesen sich bestechend nur so weg.
Ich freu mich dass der Penguin Verlag so schöne Bücher macht und mir das Buch zur Verfügung gestellt hat. Und außerdem noch eine ganze Reihe mehr Bücher, die ich alle lesen darf. Ganz besonders schön und weihnachtlich ist Die Geschenke meiner Mutter. Darüber bald mehr.
Bücher und Winter, das passt so gut zusammen.
Pfüller Opa… definitiv ;-)