Familie

Erwins und Gabys Bank

1. Mai 2019
Untitled

Die Bank steht nicht mehr da. Verschwunden. Gemopst. Im Feldrain genau eine Leerstelle zuviel. Möge der Blitz den schlagen, der jetzt auf ihr sitzt, sage ich. Möge er mit Segen überschüttet werden, sagt mein Vater. Er hat wieder einmal Recht. Vielleicht ist diese Geschichte ja noch nicht zu Ende.

Papa sucht sich früh morgens gern eine Bank. Wenn es gerade erst hell wird, die Natur noch verschlafen, die Rehe manchmal schon unterwegs; so beginnt er seinen Tag am liebsten. Auf einer Bank, mit seiner Bibel und einem langen Gespräch mit dem Schöpfer. Wenn wir zusammen im Urlaub waren, stand in Spazierweite garantiert eine Bank, und wir haben uns dann angegrinst: Da steht Papas Bank. Einen Winter war der Boden noch vereist, Papa ist unglücklich gestürzt und hat sich dabei das Handgelenk gebrochen. Seitdem war er kaum noch bei dieser Bank. Am Schreibtisch lässt es sich auch gut reden. Und seitdem haben wir hin und her überlegt, ob wir drei Schwestern nicht eine Bank für ihn bauen – und an einem besseren Plätzchen aufbauen könnten. Der runde Geburtstag verstrich, wir hatten noch nicht einmal Holz. Vatertag und Muttertag, perfekte Gelegenheit; aber es sollte noch dauern. Inzwischen war sie zusammen gezimmert und graviert. Mit Lötkolben, extra besorgt, und dann noch zwei im Keller gefunden. Erwins und Gabys Bank. Auf unserer Terrasse wartete sie so Woche um Woche. Einmal standen meine Eltern unverhofft im Garten zu Besuch, und ich dachte schnell genug daran, die Bank kopfüber um die Ecke zu stürzen, mit Klimm Bimm noch drum herum. Mama wunderte sich nur „Stört das euren Vermieter gar nicht?“ Der Sommer dörrte das Land und endlich stimmte alles. Die Kinder und ich waren ein paar Tage bei den Eltern und Batti kam uns abholen. In geheimer Mission und mit Mörtel und Wasserkanister trafen wir beide uns an der ausgewählten Stelle. Am Dorfrand, wo der Weg sich eine kleine Anhöhe lang schlängelt, mit weitem Blick über Felder, Kirche und Dorf. Perfect Place. Jetzt musste sie nur noch entdeckt werden. Wir hatten den Eltern nichts verraten, sie spazierten ja regelmäßig durch die Landschaft. Das war im August. Und immer noch diese Affenhitze, die andere Wege lang führte. Immer mal wieder dachte ich aus der Ferne: Na, finden sie heute die Bank? Mitte September war Juju dort und wir hatten verabredet, dass sie da mal lang laufen, wenn die Eltern bis dahin immer noch nichts entdeckt hatten. Und so kam es dann auch. Tatsächlich war Papa schon so oft dran vorbei gefahren und hatte jedes Mal gedacht, dass er da mal hingehen müsste … So war das mit der Bank. Unser Plan ging auf, Papa ging früh wieder zu seiner Bank.

Bis April. Irgendwo anders steht jetzt Erwins und Gabys Bank. Wir müssen eine neue Bank bauen, sage ich. Aber die stellen wir dann vors Haus, sagt Mama. Und was sagt Papa?

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