Geschichten

Mangold Fuchs

3. Juni 2019

Irgendwo bei den großen Buchen, nicht weit weg vom Fluss, den die Leute Merrimack River nennen und in dem die schnellen, leckeren Fische schwimmen, genau da ist ein Fuchsbau. Der kleine Mangold lebt dort mit seinen beiden Fuchsenbrüdern. Ihr Bau ist gut versteckt und ganz gemütlich. Wenn Mangold früh noch im Bett träumt, brutzelt Mama schon Bratkartoffeln, Eier oder Mäusespeck in der schwarzen Pfanne. Und manchmal darf Mangold im Schlafanzug frühstücken.
Eine Sache ist an ihm ganz besonders. Auf seinem Rücken hat er einen großen, gelben Fleck. Das nervt ihn manchmal. Immer, wenn seine Fuchsenbrüder Langeweile haben und ihn ärgern. „Ey, du musst dich mal waschen! Am Rücken!“, rufen sie dann, und lachen sich schlapp. Oder sie singen: „Fettfleck im Fell, wasch dich schnell!“ Wenn sie richtig gemein sind, brüllen sie „Dreckfuchs, Fleckfuchs!“ und kugeln sich dabei durch die Wiese.
Mangold bleibt immer cool und streunt dann zum Merrimack River, wo er seine Ruhe hat. Er sortiert die Steine am Ufer oder versucht, einen von diesen schnellen Fischen zu fangen.
Wenn er mit hängender Rute nach Hause kommt, sagt Mama zu ihm „Mein Mangold, du bist ein ganz besonderer Fuchs. Ich bin so froh, dass du deinen gelben Fleck hast. Die Sonne selber hat da einen Strahl drauf gemalt. Und wenn sie mal nicht am Himmel scheint, brauche ich nur dich anzuschauen.“ Dann macht Mama ihm einen schönen Eierkuchen mit Rosinen, den er auf seinem Bett essen darf.
Einmal ist Mangold wieder am Fluss und entdeckt etwas Seltsames. Zwischen Sand und Steinen liegt ein Haufen roter Pulverstaub. Mangold probiert es mit der Pfote. Igitte, es schmeckt scheußlich. Und geht nicht mehr ab. Das muss Farbe sein. Bevor er weiter darüber nachdenken kann, rollt er sich mit seinem Rücken darin herum, lange und gründlich.
Juchuu, denkt er, ich bin den blöden Fleck los. Er versucht sich im Fluss zu spiegeln, aber der strömt so schnell. Ich muss eine Pfütze suchen. Aber es hat schon ein paar Tage nicht geregnet, keine Pfütze zu finden.

Als es Zeit fürs Abendessen ist, schnürt er mit gespannten Augen in den Bau. Ob die Anderen etwas merken? Es juckt ein bisschen am Rücken.
Seine Mama sieht ihn komisch an, dann schaut sie zu seinen Brüdern, die schon am Tisch sitzen. Dann guckt sie wieder zu ihm. „Nanu, wie siehst du denn aus? Hast du im Schlamm gespielt? Oder bist du gar nicht mein Mangold?“
„Was denn Mama, ist mein Fleck weg? Das gibts ja gar nicht.“ Mangold wäscht sich die Pfoten und versucht, nicht zu grinsen, als seinen Brüdern die Schnauzen offen stehen.
Später im Bett sagt er seiner Mama glücklich Gute Nacht. Einschlafen kann er lange nicht. Ihm juckt der Buckel wie verrückt.
Am nächsten Tag spielen alle zusammen Verstecken. Noch nie hat Mangold so gute Verstecke gefunden. Es ist schwer für seine Brüder, ihn zu finden. Bald wird ihnen langweilig. Sie wollen sich nicht anstrengen. Als Mangold sich wieder versteckt, schleichen sie heimlich davon. Lange hockt er in seinem Versteck und wundert sich. Beim Stillsitzen juckt der Pelz noch schlimmer. Endlich kriecht er aus dem Erdloch hinter einem Haufen abgebrochener Äste. So ein schönes Versteck. Sogar ein Fliegenpilz zum Schreck wächst daneben. Weit und breit ist niemand mehr. Warum sind seine Brüder so blöd? Jetzt ist er endlich diesen Fleck los und trotzdem klappt es nicht. Mangolds Magen rumpelt. Mama macht heute Dampfklöße, die isst er so gern. Aber er hat keine Lust auf zu Hause. Er läuft tief in den Wald hinein. Leere Bucheckern knacken unter seinen Pfoten. Aller paar Bäume bleibt er stehen und kratzt sich an der Rinde. Ach, wie das juckt.

Die Sonne ist auch weit gewandert. Mangold ist müde. Er kehrt um.
Plupp. Plipp. Plupp. Dicke Regentropfen treffen ihn zwischen den Ohren. Es werden immer mehr. Es schüttet nur so, wie aus Kübeln. „Zapfmist, so ein oller Zapfmist!“ schimpft Mangold. Er flitzt jetzt wie ein roter Blitz, trotzdem ist er sofort klatschnass. Aber ahhh, das Jucken hört auf. Was für ein angenehmes Gefühl man auf dem Rücken haben kann.
Vor dem Fuchsbau schüttelt er das Wasser aus dem Pelz. Mama steht schon im Eingang und erwartet ihn.
„Wo hast du dich denn rumgetrieben?“ fragt sie und zieht die Augenbrauen hoch. Das ist nicht gerade Mangolds Lieblingsblick. „Im Wald“, sagt er nur und zuckt mit den Schultern. Mama rubbelt ihn mit einem Handtuch ab.
„Wenigstens bist du wieder schön sauber“ sagt sie und streichelt über Mangolds Rücken. Die rote Farbe ist rausgewaschen und der gelbe Fleck leuchtet wie neu.
„Bitte nicht“, winselt Mangold, „ist der Fleck wieder da?“
„Ein Glück ist er wieder da“ sagt Mama. „Ich habe ihn schon vermisst. Komm, ich habe dir Dampfklöße aufgehoben. Mit heißer Butter.“
Wie das aber heute gut schmeckt! Mangold schleckt sich die Schnauze und schielt zum Topf auf dem Herd. Der Deckel ist drauf. Ob da wohl noch ein letzter Dampfkloß übrig ist?
„Mama, das ist komisch. Die Fuchsenbrüder ärgern mich mit und ohne Fleck. Ich versteh das nicht.“

Mama nickt. Sie könnte ihm sagen, dass es ganz einfach ist. Die Fuchsenbrüder hätten in Wirklichkeit auch gern so einen gelben Fleck. Nur das würden sie im Leben nicht zugeben.
Aber sie strubbelt ihm nur zärtlich den Kopf und sagt “Na los, einer ist noch im Topf.”

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